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Factor X

 
Haubitz-Zoche (GER)
Faktor X, zeitgenossische Kunst in München, published in German by Siemens Arts Programm, publisher; Prestel Verlag, 2005, Münich, DE

Da, wo Ich bin, passiert es.
Haubitz-Zoche: e-mail-Gespräch mit Wapke Feenstra aus Rotterdam, 2004

Hallo Wapke,
die Schokoladen Dropjes sind alle, der Cumijnekaas auch... wann kommst du wieder nach München? Wir wurden gefragt, ob wir einen Text schreiben zum Thema "München: subjektiver Fokus auf die Stadt als Kunststandort". Das würden wir gerne mit dir zusammen machen in Form einer E-Mail-Korrespondenz, aufbauend auf dem gemeinsamen Austausch München/Rotterdam und den damit verbundenen Blicken der Zaungäste. Was meinst du?
Schöne Grüsse, Stefanie

LIEBE KAESEFRESSER und schokoladeLECKERS! TEXT zusammen schreiben ist schöne Idee. Nur wenig Zeit. Wenn ihr den Anfang mit dem Schreiben macht, dann reagiere ich gerne. HIER IST DAS WETTER JETZT AUCH SUPER-SCHOEN. Nächstes Mal treffen wir uns im BIER-GARTEN in München: bei Sonne!!
Liebe Grüsse, WAPKE

Liebe Wapke,
vor etwa fünf Jahren warst du als Stipendiatin in der Villa Waldberta, in der die Stadt München ihre ausländischen Künstler empfängt Romantisch gelegen am Starnberger See, das Atelier im Palmenhaus, zeitgemäss ausgestattet mit Modem und Faxanschluss, aber ohne jeglichen Anschluss an die lokale Kunstszene. Isolation auf dem Land als Inspirationsquelle für künstlerisches Handeln? Die Stadt Rotterdam hat in dem Künstlerhaus Duende Räume für Gastkünstler. Eine ehemalige Schule, zentral gelegen, mit etwa 30 Ateliers, in denen einige der interessantesten Künstler Rotterdams arbeiten. Es handelt sich um ein etwas heruntergekommenes Backsteingebäude, Münztelefon am Eingang, kein Faxanschluss, Künstlerkontakt unvermeidbar. Ist das symptomatisch oder zufällig? Sagt es etwas aus über die Kulturpolitik dieser beiden Städte?
Schöne Grüsse, Stefanie

Symptomatisch oder zufällig?
Liebe Stefanie, ich denke beides. Rotterdam und das Gebäude Duende sind sehr offene Orte, um Kontakte zu anderen Künstlern zu bekommen. In Feldafing habe ich mich damals sehr gut konzentrieren können, und für mich war es auch gut, in die Stadt zu gehen und durch Leute, die ich schon kannte, neue Leute zu treffen. Mich hat damals schon sehr genervt dass die meisten Künstler in München so negativ über ihre Stadt als Kunststadt gesprochen haben. In Rotterdam sind die Leute viel positiver, was ihr eigenes Umfeld betrifft. Ich weiß, dass Rotterdam in letzter Zeit auch einen besseren Ruf als innovative Stadt hat, aber eigentlich denke ich, dass man keine gute Kunst machen kann, wenn man nur Sehnsucht nach einem anderen Platz hat. Da, wo man ist, da passiert es, und nicht da, wo man sein möchte. Viele junge " Münchner Künstler haben mich damals auf meine Projekte an anderen Orten in Europa angesprochen (vor allem Manifeste und London), aber was ich als Zaungast am See gemacht habe, war weniger inter¬essant. Dass ich auch gerne mit ihnen darüber diskutieren und es ziemlich genau wissen wollte, war für die meisten nicht nachvollziehbar. Das hat mich damals auf die Idee gebracht, mir ein Dirndl auszuleihen und mich damit fotografieren zu lassen. Mit dem eigenen Körper etwas darzustellen, was jeder kennt, war eine gute Entscheidung. Humor bringt auch Kontakt. Trotzdem halte ich München für eine sehr interessante Stadt, es ist auch eine reiche Stadt, und sie hat wunderschöne Museen. Ich empfinde sie auch als eine sichere Stadt, und immer wieder sehe ich schöne Kunst und treffe interessante Leute.
Liebe Grüsse, Wapke

Hallo Wapke,
ich finde es symptomatisch, dass München bei einem Künstleraustausch mehr Wert auf Repräsentation legt, als darauf, Netzwerke und Gedankenaustausch zwischen lokalen und auswärtigen Künstler zu för¬dern. Während die meisten Städte als Gegenleistung für die Bereitstellung von Gastateliers ihre eigenen Künstler in die Welt schicken, wird dies hier nicht einmal angedacht. Die Stadt ist nicht stolz auf ihre eigenen Kinder, was sich auch in der Ausstellungs-Politik ausdrückt. Aus Angst vor Provinzialität schmückt man sich mit internationalen Künstlern, die existierende und eigentlich recht virulente Szene wird dabei nur wenig unterstützt. Ich denke, dass dies auch mit ein Grund ist für die negative Haltung der Künstler, die du angesprochen hast. Wir schleppen halt immer noch den König Ludwig mit seinen Prachtstraßen und seinem Repräsentationsgebaren im .Gepäck mit. Ich empfand es in Rotterdam als sehr befreiend, wie viele architektonische Lücken und Leerflächen es im Stadtbild gibt. Man hat sich nach dem Krieg offenbar viel Zeit gelassen mit dem Wiederaufbau und konnte radikale zeitgenössische Architektur an zentralen Orten der Stadt realisieren. Die Gegensätze prallen ziemlichkrass aufeinander, was ich sehr inspirierend finde: Mut zum Experiment! Für mich schaffen diese offenen Strukturen auch wieder innere, gedankliche Freiräume. Gruss, Sabine

Hallo ihr Zwei,
was mich interessiert, ist, warum noch immer viele Künstler, die in München arbeiten, vorhaben wegzugehen. Als Künstler kann man ja viel reisen und braucht einen Platz, wo man gut .Und inspiriert arbeiten kann. Was ist für euch inspirierend an München, frage ich euch jetzt!
Gruss, Wapke

Liebe Wapke,
wir leben beide wirklich gerne in München. Eine Stadt besteht ja nicht nur aus dem, was oberflächlich sichtbar ist - für uns ist es ein ganzes Geflecht aus Freundschaften, Netzwerken und persönlichen Dingen, die uns hier im Alltag Spass machen. Auch wenn die Stadt manchmal Mut zum Experiment vermissen lässt, gibt es doch viel Inspirierendes zu sehen, auch an Theater, Tanz und Architektur. Und da wir ohne¬hin viel reisen, haben wir nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, eher das•Gefühl, die Stadt braucht noch einen kleinen Kick, dann könnte aus den Synergien etwas ganz Spannendes entstehen. Gerade die Tatsache, dass man in München nicht (wie beispielsweise in New York) in einer ganzen Flut von inspirierenden Eindrücken ertrinkt, erlaubt uns, uns intensiv auf unsere Arbeit zu konzentrieren. Da wo man ist, da passiert es, und nicht da, wo man sein möchte - das gefällt mir!
Gruss, Sabine

Hallo ihr Zwei,
MORAL BLEIBT: Da wo man Ist, passiert es, und nicht da, wo man sein möchte. Aber ja, München ist nicht stolz auf die eigenen Kinder. Es ist eine sehr bürgerliche Stadt, die Wert auf Repräsentation legt, aber manchmal braucht man auch nur einige wenige Leute, die einen Wandel herbeiführen können. Für die Kunstszene in Rotterdam war es wichtig, Anfang der Neunzigerjahre ein Institut wie das Witte de With zu haben, das Chris Dercon mit all seiner Energie in die Welt gesetzt hat. Es war auch ein entscheidender Impuls, dass die Manifesta mit Unterstützung des Stadtrates hier angefangen hat. Es gibt viel Mut und unkonventionelles Handeln hier, aber in den letzten Jahren hat mit der Mehrheit, die unter Pim Fortuyn in den Stadtrat gekommen ist, die kulturelle Landschaft und das Experiment eine traurige Entwicklung genommen…
Jetzt zum Postamt.
LIEBE GRUESSE, WAPKE

Liebe Wapke,
Rotterdam ist auf meiner imaginären Landkarte der innovativen Kunst-Orte erst durch die Manifesta aufgetaucht. Diese Chance hätte München auch gehabt, hat sie aber verspielt. Vor etwa zwei Jahren gab es hier eine euphorische Aufbruchstimmung: Die Pinakothek der Moderne öffnete ihre Tore und zog einige interessante Galeristen nach München. Das neu geschaffene Programm »Kunst im öffentlichen Raum« wurde weit über München hinaus diskutiert, plötzlich schielten befreundete Künstler aus Köln und Berlin überrascht hierher . Mit der neuen Kulturreferentin wurde jedoch so manche Initiative gestoppt, das Geld für die Kunst im öffentlichen Raum im ersten Jahr komplett in den Sand gesetzt und im zweiten Jahr radikal gekürzt. Wird die einmalige Chance, der Kunstszene hier ein unverkennbares Gesicht zu geben, vertan oder verbergen sich dahinter fragwürdige Sparmassnahmen?
Liebe Grüsse, Stefanie und Sabine

Hallo München,
ich glaube nicht daran, dass Chancen einmalig sind, da kommt immer wieder eine Chance, nur ist es Energie-fressend, wenn man sieht, dass der Glaube und die Passion, die man selber für einen Plan oder eine Idee hat, in der Politik einfach so in den Müllkorb wandert - oder halbiert wird. Dann kann man nicht gehen und man kann nicht sterben, nur ein bisschen als Krüppel herumhocken. Trotzdem, wie gesagt, es gibt immer wieder Chancen und neue Energien in der Stadt. Kunstszenen haben eine Kraft, vor allem wenn man denkt »Da, wo ich bin, da passiert es,« kombiniert mit viel Reisen und Lesen. Aber vor allem muss man auch zu Hause herumschauen, wo die Chancen sind. Künstler müssen frech sein, wenn nötig, und Geduld haben, wenn nötig. Es ist ein Tanz mit unbekanntem Rhythmus .. Ich denke, neue Energie kommt nicht immer von jungen Leuten. Durch Erfahrung und Kenntnis der Szene können gerade länger arbeitende Künstler einer Stadt Energie geben. Dieses ständige Suchen nach Neuem ist ja auch schon eine alte Idee ... Wir sehen uns diesen Sommer, und ich hoffe, dass wir dann auch ein bisschen die Münchner Biergärten geniessen können und Energie finden in München.
Liebe Grüsse, Wapke