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`Immer Erreichbar`
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Was geschieht bestimmt der ort
Ins Gruene Hinein

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`Ins grüne hinein`

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`Immer Erreichbar`, Wapke Feenstra (GER)
Published in German in "Ins Gruene Hinein" ("Zaungast" catalogue), in Dutch in HTV and in French for "Was geschieht bestimmt der Ort"/ "Le lieu détermine ce qui arrive" 1998

In München tragen die Männer Federn an ihren grünlichen Hüten. Es gibt auch Damenmodelle. Ich kenne wenige Großstädte in Europa, wo die örtliche Alltagskleidung soviel Verwandtschaft mit den ursprünglichen Trachten aufweist.

München, das liegt ungefähr 500 Meter über dem Meeresspiegel. Die Stadt liegt von alters her an einer Kreuzung von Nordsüd- und Ostwestverbindungen und erstreckt sich an beiden Ufern der Isar. Die Umgebung ist reich an Naturschönheiten und bietet zahlreiche touristische Möglichkeiten, vor allem im Süden, wo die städtische Bebauung in die bewaldeten Ausläufer des Berglandes übergeht und wo durch Ausschürfungen in der Eiszeit verschiedene Seen entstanden sind: Ammersee, Starnberger See oder Würmsee, Wörthsee und Tegernsee. Wir danken Spectrum Encyclopedie Software, dem Kulturreferat DLH München und der Mondriaan Stiftung Amsterdam. Ich war zwei Monate am Starnberger See, hatte täglich Aussicht auf die Bayrischen Alpen und fing einen Schimmer von der Roseninsel auf, wo Sisi und Franz Josef sich küßten.

Und wie war es??

Ja schön. Interessant, inspirierend, spannend, ich hatte eine gute Zeit, ich danke Ihnen.

Jetzt schon wieder zurück?? Oder gehst Du wieder weg? Hoffnungsvoll? Nein! Interesse, glaube ich. Alle wissen, daß ich fort war. Nun bin ich wieder zurück. Ich war der ZAUNGAST des Kulturreferats DLH München, in der Villa Waldberta zu Feldafing. Und ich habe mich gut in die örtliche Situation eingelebt. Also auch in die örtliche Kunstszene. Der ländliche Charakter der Umgebung Münchens findet sich in der Stadt überall wieder, auch wenn fast anderthalb Millionen Menschen in dieser Stadt leben - Rotterdam gleicht da mehr einer Metropole. Oder werde ich jetzt chauvinistisch? Der ländliche Charakter der Umgebung von München findet sich in der Gegenwartskunst gar nicht wieder. Der Blaue Reiter reitet schon seit Jahren nostalgisch grell gefärbte Runden im Lenbachhaus. Und Gegenwartskunst erweist sich zur Zeit als ein Land mit grenzüberschreitenden Gesetzen. Es gibt offenbar viel Kommunikation. Oder ist es Intuition? Oder liegt es einfach in der Luft?

Herrliche Sonnenuntergänge. Das Wetter war natürlich bezaubernd. Es lag Schnee, mit diesem festgebackenen Eis an den Tannenbäumen. Der See machte ab und an schemenhaft einen Caspar David Friedrich nach, und dieses Licht, davon läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Hier sieht es aus wie in romantischen Gemälden oder auf billigen Weihnachtskarten und ..

In der Stadt verhält man sich übrigens ironisch gegenüber dem Land. Oder es wird hochgelobt als ein Touristenziel.

Ziemlich einsam da... oder? Halt deinen Mund und projiziere deine städtischen Schrullen nicht auf meine Leute. König Ludwig II. ist hier zwar ersoffen, aber er war schon eine Weile labil. Das Gedenkkreuz steht auf der anderen Seite im Wasser, das kann man von diesem Ufer aus noch nicht einmal sehen. Bei seinem Schloß soll man sehr gut Fisch essen können. Das habe ich zu spät erfahren.

Als echter Krebs bin ich nicht gerne lange von zu Hause fort. Mit dem nachdrücklichen Informieren der Zurückbleibenden und der schriftlichen Bestätigung von Seiten der zukünftigen Gastgeber ist in diesem Falle eine Falle gestellt, um dieser meiner Art zu entgehen. Man muß dann schließlich auch weg, denn es steht überall schwarz auf weiß. Ich mag es überhaupt nicht, mein Wort zu brechen. Das sei sehr friesisch, sagt man. Meine Abreise habe ich in der letzten Ausgabe der Zeitschrift "HTV-de ijsberg" angekündigt, und mit einer zusätzlichen Postsendung habe ich meinen gesamten Adressenbestand informiert. Doch ich habe Euch nicht vermißt. Wenn ich erst einmal weg bin, habe ich die Zurückgebliebenen eigentlich schnell vergessen und suche vor Ort wieder "Freunde". Das In-Verbindung-Stehen mit der Heimatbasis und dann wie ein Korrespondent von einem Gebiet Bericht erstatten, das funktioniert für mich nicht gut. Ich schicke auch nie Postkarten aus dem Urlaub. Doch hatte ich mir vor kurzem ganz modern vorgenommen, die Position von Isolation und Kommunikation zu untersuchen, indem ich meine Abreise in die Idylle mit einem Handy und einer E-Mail-Adresse kombinierte. Gerade weil romantische Isolation und neue Kommunikationsmittel einander im Nachdenken über "Inspiration" auszuschließen scheinen, wollte ich sehen, was unterdessen alles passieren kann. Also in Einheit mit technologischem Fortschritt die Romantik des Künstlerseins ausleben. Danach alles frisch und neu tapezieren und abbeizen und dreimal lackieren. Ich mag Tätigkeiten, die zum Künstlersein gehören. Schöne Farben auftragen und dann das Papier sich glattziehen lassen, während es noch unter Spannung steht von der ausweichenden Feuchtigkeit. Diese Pausenmusik liebt das Leben. Ich durfte vor Ort meine Sammlung retouched wood konzentriert erweitern. Pausenmusik? Wie bitte? Ich folge weiterhin dieser Linie der Maserung und wähle Farbe. Ich folge der Linie und glätte die Löcher. Ich betrete an jenem Samstag zum ersten Mal einen Pfad, der gerade hinunter führt, mit vielen, steinernen Stufen. Komme dann auf einen belebteren Weg raus, muß noch weiter, um zum See zu kommen. Und sehe den See schon glänzen. Laufe quer über den Golfplatz. Viele Schilder warnen mich vor fliegenden Golfbällen. "Nicht stehen bleiben." Auch die Angaben, ob der Ball von rechts oder von links kommt, sind sehr praktisch. Gründlich.

Ich verliere den Faden. Meine Telefonrechnung in Villa Waldberta ist jetzt schon legendär. Isolation und Kommunikation? In beide Dogmen verstrickt man sich früher oder später.

Da war ich also.

Immer erreichbar und doch so fern von Zuhaus. In den letzten Jahren war das Nachdenken über das Lokale ein hot item in der Kunst. Oder? Oder ist das eine Rotterdamer Angelegenheit? Ich weiß noch gar nichts darüber, so zeigte sich auch jetzt wieder. Es ist nämlich immer ganz anders, wenn man das Bild tatsächlich betritt und sich den Erfahrungen LIVE unterzieht. Das wußten Sie schon, es gibt malerische Traditionen, die (gähnend) davon berichten. Reiseberichte und anthropologische Abhandlungen wurden darüber geschrieben. Ich bin gerne ein schlechter Berichterstatter, vor allem wenn es um Kunst geht. Das ganze Geschwätz über Bücher und Farbe, ich liebe Malerei und Sprache, will aber auch draußen spielen und schauen und Menschen treffen. Lassen Sie uns vorab eine Sache klar feststellen: Sie haben es verpaßt, Sie waren nicht dabei. In der Gaststätte, die gegenüber vom Bahnhof ist, fragte er nämlich, wer mir die Trachten leihen könnte. Meine Größe ist dann auf einmal ein Problem, die Tante des Besitzers hat ihre Tracht verkauft, und sie hatte meine Figur. Der Trachtenverein vom nächsten Dorf legt mir ans Herz, daß man so etwas nicht fragt, das ist bayrischer Kulturbesitz. Lokalität ist kein Konzept, das zeigt sich immer wieder. Ich will niemanden verletzen, kann mit Hilfe aus Tutzing noch etwas regeln und miete ein Dirndl bei einem Kostümverleih. Du mußt Dein Herz zeigen in so einem Kostüm, sagt die bayrische Bedienung und schnürt mir den Busen hoch. Grüß Gott. Und die Himmelsleiter ist der schlecht instandgehaltene Weg, der entlang der Villa Waldberta zum See führt. Davon kann ich stundenlang erzählen und auch von den anderen Bewohnern der Villa, die sich alle um Literatur verdient gemacht haben. Und dort gibt es eine Bibliothek mit Büchern von früheren Gästen. Es ist alles sehr inspirierend, aber mein Modem funktioniert nicht, (tut mir leid, kann eure E-Mails nicht pünktlich lesen), an meinem Handy leuchteten nur die Lämpchen, meinen Laptop, da mußte ich mich noch dran gewöhnen und der deutsche Drucker hatte seine Schrullen. Daher habe ich viel gelesen während der Zeit, die ich in Villa Waldberta verbrachte, und ich kann Euch versichern sagen, daß alle Gebrauchsanweisungen kryptisch geschrieben waren.